Dr. Andreas Lueg, Dr. Claus Scheper

Digitalisierung in der diabetologischen Praxis

In dem seit 2019 regelmäßig erscheinenden DUT- Report – und auch in dem vorliegenden Report DUT-Report 2023 – wird immer wieder eine Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit beim Thema Digitalisierung in der Diabetologie beschrieben. Es besteht ein deutlich höherer Wunsch nach Digitalisierung als momentan vorhanden und möglich ist bzw. erwartet wird. Woran liegt das? Aus Sicht der Autoren sind die Gründe komplex, aber manchmal auch banal.

Digitalisierung ist mehr als Videosprechstunde

Für viele Anwender und Leistungsanbieter reduziert sich dieses Thema auf Grund jüngster pandemiebedingter Erfahrungen auf die Videosprechstunde. Das ist zu kurz gegriffen – Digitalisierung im Gesundheitswesen bedeutet natürlich viel mehr.  Die Videosprechstunde ist vergleichsweise teuer (Gebühren!), da die Anbieter praktisch alle Vergütung abschöpfen, weshalb viele Leistungsanbieter ihre Videoverträge wieder gekündigt haben. Hinzu kommt, dass Videotermine nur sehr bedingt helfen, dem Arztzeitmangel etwas entgegenzusetzen. Im Praxisalltag vieler niedergelassener Ärzt*innen ist keine strukturierte Zeit für Videotermine vorhanden, da der „Druck von der Straße“ auf die Präsenzsprechstunden sehr groß ist. Videotermine gehen deshalb häufig in der Praxis unter, abgesprochene Termine können nicht eingehalten werden bzw. sie beginnen mit erheblicher Verspätung. Das ist sowohl für den Leistungsanbieter als auch für die Patient*innen unkomfortabel und frustrierend.

Negative Erfahrungen im Praxisalltag

Von Ärzten wird die Digitalisierung in unserem Gesundheitswesen oft als aufgezwängt, quasi ´von oben` (Gematik), ohne Rückkopplung in Bezug auf die Wünsche, Erfahrungen und Probleme der Praxis erlebt. Analoge Papiervorgänge wurden einfach digitalisiert – das nennt man dann Digitalisierung! Der Mehrwert der Möglichkeiten einer echten Digitalisierung wird bislang nicht genutzt. Digitalisierung im positiven Sinn bedeutet, durch digitale Prozesse den Praxisablauf und die Behandlung besser, zeitsparender und effektiver zu machen.

Die aktuellen Lösungen vom DMP-Bogen über die EPA und elektronischem Arztbrief, eRezept, eAU bis hin zu ´upgedateter` Praxissoftware sind aktuell jedoch nahezu alle mit einem erhöhten Zeitaufwand verbunden, sind eher Zeitfresser und machen die Arbeit komplizierter.

Beispiel: Elektronischer Arztbrief

Der wichtigste Bestandteil dieses Werkzeuges, nämlich das digitale Adressverzeichnis, ist eine Katastrophe. Es entspricht eher einem alten Telefonbuch in früheren Telefonzellen, wo Seiten fehlen, Einträge nicht leserlich, bzw. schon veraltert sind. Da die Einträge bislang nicht sauber strukturiert sind, werden nicht selten die falschen Adressaten angeschrieben. Dieses ist organisatorisch, vor allem aber datenschutzrechtlich ein Desaster. Ein an sich gutes Werkzeug wird so durch ´schlampige` Vorbereitungsarbeit verbrannt und diskreditiert. Da bei dieser Thematik PVS-übergreifend der Wille und die Bereitschaft nachzubessern, eher gering ist, drängt sich der Eindruck auf, dass die wenigen Anbieter in erster Linie Gewinn erzielen wollen und weniger an einer nachhaltigen, effektiven und damit für alle Seiten motivierende Nutzung interessiert sind.

Beispiel: Elektronische Patientenakte

Auch die aktuelle vorangetriebene Nutzung der elektronischen Patientenakte (ePA) ist in dieser Hinsicht problematisch. Es führt zu einer Ansammlung von pdf-Dateien. Da den Inhalt der Patient bestimmt, besteht die Gefahr sehr selektiver Daten, die einem guten Gesamtüberblick im Wege stehen.

Geplant: Praxisstudie zur Digitalisierung

Auf Kostenträgerseite möchte die DAK in einer Feldstudie, die zeitnah auf den Weg gebracht werden soll, Hinderungsgründe für das Scheitern von Digitalisierungsbemühungen in diabetologischen Schwerpunkten (Klinik und Praxen) detektieren. Dies ist sehr begrüßenswert, denn letztlich ist eine gut gemachte Digitalisierung ein Selbstläufer. Der bisherige Misserfolg ist vor allem das Ergebnis eines nicht anwenderorientierten Entwicklungsmodus. Man darf auf die Ergebnisse dieser Untersuchung im Feld gespannt sein!


Autoren:

Dr. Andreas Lueg
Diabeteszentrum L1 Hameln, L1-Ärztehaus, Lohstraße 1, 31785 Hameln

Dr. Claus Scheper
Diabetologische Schwerpunktpraxis, Praxis Dr. med. Scheper & Schneider & Veit, Bergstraße 167, 45770 Marl